Die Beziehung zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der Bundesregierung wird immer enger, während das Ideal der Gewaltenteilung in den Hintergrund tritt. Der Präsident des Gerichts, Stephan Harbarth, hat sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz 2024 mehrmals getroffen – und zwar ohne „Verfahrensbezug“. Dieses Phänomen ist nicht neu: Laut der „Welt“ gab es im Vorjahr bereits 22 dienstliche Treffen, darunter Staatsbankette, Jubiläumsfeiern und Symposien in Luxushotels. Hinzu kamen fünf juristische Veranstaltungen und zahlreiche Schreiben, die nichts mit der Arbeit des Gerichts zu tun haben.
Die Frage lautet: Warum benötigt ein Gericht, das für Unabhängigkeit steht, so viel Austausch mit der Politik? Die Antwort ist erschreckend: Statt neutraler Kontrolle scheint eine Kultur der Vertrautheit entstanden zu sein. Harbarth gratuliert Ministern zur Ernennung, plaudert über Bürokratie mit Staatssekretären und sendet Glückwunschkarten – alles unter dem Deckmantel „nicht verfahrensbezogen“. Doch diese Begriffe kaschieren nur die Realität: Eine institutionelle Nähe, die mehr mit politischer Koordination als mit Neutralität zu tun hat.
Die Regierung behauptet, alles sei im Rahmen und transparent. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Die regelmäßigen Treffen, Telefonate und strategischen Gespräche über Gesetzesänderungen zeigen ein Bild von Machtverhältnissen, das den Rechtsstaat bedroht. Wenn Akzeptanz der Gerichtsurteile nur durch Nähe entsteht, ist dies kein Respekt, sondern Abhängigkeit. Die Frage bleibt: Wie weit reicht der Rechtsstaat, wenn seine Wächter selbst so viele Türen schließen?
Die Öffentlichkeit erfährt nur Bruchstücke. Während Harbarth mit dem Kanzler telefoniert, fragt sich der Bürger: Wer kontrolliert hier wirklich wen? Die Gewaltenteilung scheint nicht mehr als ein Symbol zu sein – ein Glas Sekt in der Halbzeit des Demokratie-Prozesses.