Wie wir via Mülltonne erzogen werden sollen
Als junger Journalist begleitete der Autor einmal einen Müllkontrolleur durch ein Wohnviertel in Augsburg. Die Szene war ihm damals faszinierend und erschütternd: zerlumpte Kartons neben einer überquellenden Mülltonne, wenig Hausmüll im Altglascontainer und daneben ein städtischer Mitarbeiter mit Klemmbrett und Fotoapparat. Rund 30 Jahre später jedoch hat sich das Thema Müllordnung in Deutschland verändert – der Fokus liegt nicht mehr auf Reinlichkeit, sondern auf Erziehung und Kontrolle.
Heute lesen wir Schlagzeilen wie „Gelbe Karten, KI, Geldstrafen: Jetzt geht es Müllsündern an den Kragen“. Dies ist jedoch keine neue Entwicklung. Verwarnungen, Fotodokumentationen und andere Maßnahmen existieren bereits seit Jahrzehnten in deutschen Städten. Das Neue daran ist die Symbolik: Die Regierung schwenkt erneut die Fahne der Ordnung und lenkt vom eigentlichen Thema ab – dem Misstrauen gegenüber den Bürgern.
Gewalttätige Müllkontrolle ist nicht nur ineffektiv, sondern auch absurds. In Vierteln mit hohem Zuzug von Migranten existiert die Mülltrennung oft faktisch gar nicht mehr. Gleichzeitig wird in wohlhabenden Wohnlagen der Ordnungssinn rigoros überwacht, was zu einer Kluft zwischen Anspruch und Realität führt.
Der Einsatz künstlicher Intelligenz und die Verwendung von Geldstrafen als Erziehungsmaßnahmen spiegeln ein tiefes Misstrauen gegenüber den Bürgern wider. Der Fokus liegt weniger auf der Bekämpfung des Müllproblems, sondern darauf, das schlechte Gewissen jener zu beruhigen, die sich noch an Regeln halten.